BioMed X

BioMed X: Von Heidelberg über die USA nach Paris

Die Heidelberger BioMed X und Servier starten eine gemeinsame Forschungs- und Innovationsinitiative am Servier-Forschungsstandort in Paris-Saclay. Mit im Boot: der dortige Inkubator des US-Netzwerkes BioLabs. Ein Modell für die Zusammenarbeit von Labor-Immobilienanbietern und industrienahen Start-up-Initiativen?

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Das Original Travnicek des legendären Wiener Satirikers Helmut Qualtinger würde zu so einer Reiseroute vermutlich sagen: „Wenn mich das Reisebüro ned so vermittelt hätt …“, denn der direkte Weg von Heidelberg nach Paris wäre doch etwas kürzer als zuerst den Umweg über den Großen Teich zu wählen.

Doch so hat der Accelerator/Inkubator, das industriegesponserte Forschungsinstitut BioMed X in Heidelberg, den Weg für sein Start-up-Programm BioMed X SeedLabs gestaltet – und vermutlich von dem Umweg sogar profitiert. Dort in Paris startet BioMed X gemeinsam mit Servier  am Servier-Forschungsstandort in Paris-Saclay das in den USA erprobte XSeed-Labs-Inkubatormodell mit einer aktuellen Ausschreibung. Dabei ist auch in Frankreich die Verbindung zu den USA offensichtlich: Die neuen XSeed Labs – die ersten ihrer Art in Europa – werden im Spartners-Inkubator, betrieben vom Inkubator-Netzwerk BioLabs, angesiedelt sein.

Während BioLabs die Infrastruktur bietet und dazu auch Finanzierungsmodelle und -hilfen für Start-ups (zum Teil übernehmen industrielle Pharmapartner die Miete oder stellen das Laborequipment), liefert BioMed X den innovativen Inhalt. Das XSeed-Modell basiert auf der Identifikation vielversprechender akademischer Talente weltweit, die dann in die F&E-Infrastrukturen von Pharmaunternehmen aufgenommen werden, um an der Schnittstelle von Wissenschaft und Industrie zu arbeiten.

Das erste gemeinsame Forschungsprojekt von BioMed X und Servier am neuen Standort trägt den Titel „Neue KI-gestützte Plattform zur sterischen Steuerung des Designs bispezifischer Antikörper“. Im Zentrum steht die Entwicklung einer auf Künstlicher Intelligenz basierenden Plattform, die es ermöglicht, gezielt bispezifische Antikörper unter Berücksichtigung sterischer und struktureller Parameter zu entwerfen.

Bispezifische Antikörper stellen eine vielversprechende Wirkstoffklasse in der Onkologie dar – mit bereits zugelassenen Therapien wie Immunzell-Engagern (ICE) sowie einer kommenden Generation dual zielgerichteter Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC). Ihre klinische Wirksamkeit wird jedoch durch physikalische Einschränkungen begrenzt: Die beiden Bindungsarme müssen gleichzeitig an ihre jeweiligen Zielstrukturen binden können. Faktoren wie sterische Hinderung, die Zugänglichkeit der Epitopregionen sowie die räumliche Anordnung auf Zelloberflächen erschweren bislang eine systematische und rationale Wirkstoffentwicklung. Es besteht ein klarer Bedarf an neuen Plattformen, die diese strukturellen Herausforderungen gezielt adressieren und das Design solcher Antikörper optimieren.

Dr. Christian Tidona, Gründer und CEO von BioMed X, erklärte: „Wir freuen uns, gemeinsam mit Servier unser erfolgreiches XSeed-Labs-Modell nun auch in Europa umzusetzen. Nach dem Start unserer ersten XSeed Labs in den USA bestätigt diese Entwicklung die Tragfähigkeit unseres Ansatzes: Frühphasige Innovation durch akademische Talente innerhalb etablierter Pharma-F&E-Strukturen ist möglich und schafft nachweislich Mehrwert für die Pipelineentwicklung.“

Darauf hofft auch Céline Triquel, Leiterin für Open Innovation in der Forschung bei Servier, die dabei die besonderen Innovationskultur von Servier betont: „Wie können wir Innovation von Extern auf eine Weise kreieren wie wir selbst gewohnt sind zu innovieren? Mit dem Start dieser neuen offenen Innovationsplattform bei Servier betreten wir Neuland. Wir freuen uns darauf, bald ein XSeed Labs-Team im Spartners-Inkubator zu begrüßen. Diese Zusammenarbeit bringt nicht nur frische Impulse in unsere bestehende Innovationsgemeinschaft, sondern erlaubt auch einen intensiven fachlichen Austausch zwischen dem XSeed-Team und unseren F&E-Abteilungen.“

Ausschreibung für Forschungsprojektvorschläge

BioMed X und Servier rufen Wissenschaftler weltweit dazu auf, Forschungsvorhaben einzureichen, die sich mit den Herausforderungen des sterisch geleiteten Designs bispezifischer Antikörper befassen. Die Vorschläge sollen folgende Aspekte abdecken:

  • Entwicklung und Training von Machine-Learning-Modellen zur Integration von Strukturdaten, Bindungsgeometrien und Zelloberflächentopologien

  • Kartierung und Vorhersage von Epitopkombinationen, die eine optimale Immun-Synapsenbildung (für ICE) bzw. Internalisierung (für ADC) ermöglichen

  • Entwicklung von In-silico-Simulationstools zur dynamischen Modellierung der Antikörperbindung unter physiologischen Bedingungen

  • Validierung der Vorhersagemodelle mittels experimenteller Systeme und Struktur-Funktions-Analysen

Besonders erwünscht sind nach Angaben von BioMed X und Servier interdisziplinäre Projektvorschläge, die Kompetenzen in den Bereichen Antikörper-Engineering, KI/Maschinelles Lernen, Strukturbiologie und Immunonkologie vereinen. Projekte mit innovativem Ansatz und klinischer Relevanz werden bevorzugt berücksichtigt. Projektvorschläge können bis zum 31. August 2025 über den BioMed X Career Space eingereicht werden.

Europäisches BioLabs-Netzwerk

Das an der US-Ostküste beheimatete Inkubatorennetzwerk BioLabs ist vor einigen Jahren nach Europa expandiert. Neben dem gemeinsamen Standort mit Servier in Paris gibt es ebenfalls in Paris ein BioLabs in enger Kooperation mit Ipsen Pharma. Zudem startete bereits vor einiger Zeit das BioLabs in Heidelberg. In Kürze wird gemeinsam mit der Berliner Charité ein BioLabs in Berlin eröffnet. Auch in München gibt es seit langem Gerüchte, dass sich dort ein BioLab ansiedeln wird. Derzeit heißt es, dass dies wohl in Zusammenarbeit mit der TU München oder ihrer Universitätsklinik in Kürze bekanntgegeben werden soll. Ob wie im Fall von Paris/Servier dann auch immer BioMed X für den innovativen Inhalt sorgen wird? Das würde vermutlich die Kapazitäten der Heidelberger überfordern. Und an all den Standorten, die für ein BioLabs in Europa im Gespräch sind, gäbe es auch Clusterorganisationen oder Initiativen für Training und Begleitung von Start-ups, die die Innovationstreiber von morgen in die BioLabs-Gebäude einbringen könnten. Eigentlich eine Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Start-ups finden Platz, Inkubatoren finden in Verbindung mit den lokalen Ökosystem-Akteuren die passenden Mieter und Pharmafirmen, die sich beteiligen, finden Innovationen.

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